Montag, 31. August 2015

Wir sind Deutschland

Drei Schwestern, alle Jahrgang 1968

Ich kann nicht glauben, was ich sehe, höre, wahrnehme. Aber Schweigen kann ich auch nicht. Brennende Notunterkünfte, offener und versteckter Hass, Ausgrenzung, Beleidigungen. Rassismus. Hier und Heute. In Deutschland. In dem Land, das ich zu schätzen gelernt habe. In dem Land, in dem ich zufällig geboren bin. In dem Land, für dessen Geschichte ich mich lange geschämt habe. Heute schäme ich mich für manche Bewohner, die ihre langgehegten Vorurteile "Besorgnis" nennen, die Angst haben, etwas abgeben zu müssen, die glauben, besser zu sein. Als wer eigentlich? Als Frauen, Männer, Kinder, die alles verloren haben, die alles aufgegeben haben auf der Suche nach einer Gegenwart und Zukunft, die den Namen Leben verdient? Mir graut, wenn ich sehe, höre, lese, wie diese Menschen in Deutschland "willkommen" geheißen werden.


Nie mehr wieder Rassismus

Gottes Welt ist bunt - unsere Familie auch
Wenn Menschen miteinander aufwachsen, kann es so etwas wie Rassismus nicht geben. Das war der Hauptgedanke meiner Eltern, als sie beschlossen Kinder aus anderen Teilen der Welt aufzunehmen. So wurde aus unserer Großfamilie eine noch größere Familie. Und nur um gehässige Kommentare vorwegzunehmen, meine Eltern lebten nicht vom Kindergeld. Wir mussten zusammenrücken, fuhren nicht in den Urlaub, waren alles andere als üppig ausgestattet mit modischer Kleidung, Spielsachen, etc. 

Und doch empfand ich es als Glück, dass ich mit drei Schwestern aus Äthiopien und einer Schwester aus Ecuador aufwachsen durfte. Tag für Tag, Streit für Streit, Geheimnis für Geheimnis, Lachanfall für Lachanfall: Alltag eben. Etwas bunter (vom Teint her gesehen: dreifarbig), zu Beginn etwas sprachverwirrt, immer emotional, ehrlich, direkt. Wie Kinder halt sind. Wenn man sie lässt. Das war meine Wirklichkeit.


Wirklichkeit 2015

Und heute sehe ich, was in diesem Land geschieht. Vorurteile werden salonfähig, Gewalt gegen Flüchtlinge (verbal und brachial) ein normaler Teil der Nachrichten. Wir sind schon dabei uns daran zu gewöhnen. Bitte nicht! Natürlich habe ich auch keine Antwort darauf, wie all diese Menschen hier leben können. Natürlich habe ich keine Ahnung, was noch auf uns zukommt. Nur eines habe ich gelernt: Wer miteinander aufwächst, sieht im anderen den Menschen (nicht den Fremden). Mit seinen Eigenheiten und Stärken. Das möchte ich meiner Tochter vermitteln. Daran möchte ich uns Deutsche erinnern. Denn wir sind Deutschland. Wir, alle gemeinsam.

1 Kommentar:

  1. Jaaa. So geht´s also auch. Ein großes Dankeschön an alle, die dabei sind, sich engagieren, helfen!
    https://www.facebook.com/Channel4News/videos/10153199943196939/?fref=nf

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